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 Ta Meri - Geliebtes Land

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Itami
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Ta Meri - Geliebtes Land Empty
BeitragThema: Ta Meri - Geliebtes Land   Ta Meri - Geliebtes Land EmptyDo Sep 29, 2011 4:32 pm

Es war ein heißer Morgen. Der fünfte Tag nach dem ersten Vollmond des Peret hatte früher angefangen als die vorherigen, Re war früher aus der Unterwelt zurückgekehrt als sonst, die Sonne stand schon zu den frühen Stunden hoch am wolkenlosen Himmel. Sie ließ ihre Strahlen unbarmherzig auf den Sand Kemets scheinen, erhitzte den Boden und die Luft. Eine leichte Brise wehte, Wüstensand glitt durch die Lüfte, blieb in den Augen der remet-en-kemet, dem Volk des schwarzen Landes, hängen.
Der Geruch von frisch gebackenem Brot lag in der Luft, etwas Süßes wie Honig oder Zucker vermischt mit Teig. Irgendwo knisterte ein Feuer, Vögel warfen ihre Schatten meterweit unter ihnen auf den Boden. Sie flackerten in der prallen Hitze, spendeten einem hinterher rennenden Fenek etwas Kälte. Echsen lagen auf Steinen und sonnten sich, eine Schlange bewegte sich fort, indem sie sich seitlich durch den Sand schlängelte.
In den Straßen herrschte reges Treiben. Eine junge Frau bot selbst gemachte Stoffe an, Tücher und Leinen, die zuvor in der prallen Sonne gelegen hatten, um so weiß wie möglich zu werden. Ihre Miene zeigte ein falsches Lächeln, darauf angelegt, Kunden anzulocken. Ihr gegenüber stand ein Mann, der sich angeregt mit einer Frau unterhielt. Kinder rannten über den heißen Boden, der Schmerz der Hitze ging unter in Euphorie und Spaß am Spiel.
Ein Mann, gekleidet in einen einfach geschnittenem Rock, der ihm von den Fußknöcheln bis unter die Arme reichte, schritt durch die engen Gassen zwischen den Häusern, ein Amtsstab in seiner Hand, den Blick weit über dem einfachen Volk erhoben. An seinem Hals baumelte eine Kette, deren Anhänger das Bildnis der Göttin Maat zeigte - der Göttin der Weltenordnung, der Gerechtigkeit und Wahrheit. Hinter ihm liefen zwei einfache Wachen, in ihren Händen jeweils ein Speer und ein schlichtes Rundschild. Jeder senkte den Kopf, als der jüngste Bruder des neuen Pharao, der Wesir Kemets, an ihnen vorbei ging.
Die Stadt war weder groß noch war sie berühmt für einen Tempel, dennoch war sie einer der größten Handelsorte Kemets. Sie lag direkt am Hapi, alle Handelswege waren offen, die Fischer fingen die Tiere aus dem Wasser, die Händler aus den anderen Städten im schwarzen Land hatten eine leichte Anreise. Es verging kein Tag ohne dass eine Barke anlegte oder wieder in das Wasser gelassen wurde.
Mädchen nahmen sich gegenseitig Huckepack und warfen zwei anderen Bälle zu. Eines der Mädchen konnte ihn nicht fangen, sie wechselte den Platz mit ihrer Trägerin und musste diese tragen. Einige Jungen spielten auf einem großen Marktplatz Tauziehen, indem sich die vordersten beiden Jungen an den Handgelenken festhielten und ihre Füße gegeneinander stützten. Die restlichen Mitspieler hielten sich gegenseitig an der Hüfte fest und zogen. Ein Beweiß der Kraft und des eisernen Willens.
Die meisten von ihnen waren nackt, die Kleidung würde bei der Hitze nur behindern. Fast alle hatten den Kopf kahl geschoren, nur eine einzige Strähne war ihnen gelassen worden. Sie fiel locker über die Schulter und wippte bei jeder Bewegung mit. Ältere Kinder, vielleicht fünfzehn oder älter, arbeiteten bereits. Sie waren oft schon verheiratet und standen im Berufsleben, hatten ein eigenes Haus und selbst Kinder.
In einer der wenigen schattigen Ecken saßen mehrere Frauen und nähten Stoffe zusammen. Auf einem Holzwagen vor ihnen lagen fertige Kleidungsstücke, die nur noch durch die Hitze weiß werden mussten, dann könnten sie verkauft werden. Ein paar von ihnen webten aus Pflanzen, die zuvor gepresst worden waren, die Stoffe, andere nähten. Die ganze Zeit über redeten sie miteinander, erzählten sich von dem vergangenen Tag und den Dingen, die im ehelichen Bett geschehen waren. Ihre Männer waren entweder arbeiten oder anderweitig beschäftigt, mit Einkaufen oder sie unterhielten sich wie ihre Ehefrauen.

„Em hotep, Erjon.“
Der Angesprochene hielt mitten in der Bewegung inne und drehte sich um. Seine mandelförmigen, etwas zu kleinen Augen musterten kurz denjenigen, der ihn angesprochen hatte, doch dann funkelte das helle Grau, vermischt mit einigen vereinzelten braunen Sprenkeln, auf. In einer stürmischen Umarmung wurde der eher schmächtige Mann in stärkere, breitere Arme geschlossen. Trotz seiner relativ langen Beine war er kleiner als der andere Mann, der ihn wieder losließ und prüfend musterte.
„Deine Arbeit als hem netscher scheint nicht gerade von körperlicher Natur zu sein“, bemerkte er grinsend, wobei er einige Zahnlücken zeigte.
„Ich diene den Göttern, Ilai. Muskeln sind da nicht immer von Nöten.“
Wie für einen hem netscher, einen Gottesdiener oder Priester, üblich, trug er keine Haare am Körper, alles war entfernt worden. Keine Wimpern oder Augenbrauen zierten sein schmal geschnittenes, hageres und kantiges Gesicht mit hohen Wangenknochen. Das einzige, was Farbe in sein gebräuntes Gesicht brachte, waren schwarze Striche, die seine Augen umrandeten und sich bis zu Erjons Schläfe erstreckten. Die Nase des Priesters lief spitz zu, war aber ansonsten eine Hakennase.
„Sag mir, Erjon, wie geht es deiner Frau?“
Ilai war ein Freund Erjons. Auch wenn der Fischer für gewöhnlich in einer anderen Stadt lebte und arbeitete, kam er bei seiner Betätigung nicht herum, auch in einer der größten Handelsstädte zu halten. Eine perfekte Möglichkeit für ihn, nach der Familie seines alten Freundes zu sehen. Erjon schätzte den grünäugigen Mann zwar, aber gleichzeitig fühlte er sich beobachtet, egal was er tat. Außerdem überstrapazierte der ältere Mann die Gastfreundschaft seines Freundes, blieb länger als nötig und machte nichts außer in seinem Haus zu sein.
„Sescheschet erfreut sich bester Gesundheit“, antwortete Erjon gedehnt und blickte sich um auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit, „Sie hat aufgehört unseren Sohn zu stillen, was ihr einiges an Energie zurückgibt.“
„Hat Min euch also mit einem Sohn gesegnet?“
„Der Gott der Fruchtbarkeit hat unser Beten erhört.“
Erneut zeigte Ilai sein Grinsen, dann boxte er dem Priester gegen die Schulter und lachte laut. Erschrocken hustete er und blickte den Fischer wütend an. Trotz seiner Körpermasse schien er nicht mit großer Weisheit gesegnet worden zu sein, sondern eher mit Stärke. Erjon fiel kein Tag ein, an dem Ilai ihn nicht schikaniert oder versehentlich verletzt hatte. Scheinbar hatte der Muskelprotz das bereits vergessen.
„Ich werde heute übrigens abreisen, mein Freund.“
„Ach ja?“, fragte Erjon und versuchte nicht allzu froh über die Nachricht zu klingen, „Das ist schade, Ilai.“
„Anekh djet, Erjon. Lebe für immer.“
Noch einmal wurde er in eine Umarmung gezogen, dann ging Ilai in die entgegengesetzte Richtung und verschwand in der Masse. Seufzend richtete Erjon seinen Schurz, der ihm bis zu den Knien reichte und mit einem Gürtel festgeknotet war, und seinen usech, den Halskragen, den fast jeder des remet-en-kemet trug. Zwei Mädchen rannten an ihm vorbei, sie warfen sich die Bälle gegenseitig zu und versuchten sie während des Laufens zu fangen. Er schaute ihnen ein paar Minuten lang zu, dann entschloss er sich nach Hause zu gehen. Sescheschet hatte sicherlich bereits das Essen fertig gerichtet.

Durch den Haupteingang des Hauses kam er in den etwas kleineren Hof, von dem aus er zu dem kleinen Garten, in dem sie Kräuter anpflanzten, hätte gehen können. Von weitem konnte er frisch gebackenes Brot riechen, außerdem lag der Geschmack von gekochtem Fleisch in der Luft. Das Lachen seiner Kinder erfüllte sein Herz mit einer Freude, die nur die Heimkehr in ihm auslösen konnte. Auch wenn er nur wenige Momente fortgewesen war, wollte er die Zeit außerhalb der Arbeit mit seinen Kindern verbringen, solange sie noch im Haus waren und nicht bereits an ihrer eigenen Familie arbeiteten.
Das Haus selbst war einfach und zweckmäßig. Es war rechteckig, nur ein Stockwerk hoch und außen weiß bemalt, um die Sonne zu reflektieren und etwas Kälte in die heimischen Wände zu bringen. Der Schlamm des Nils war zu Ziegeln verarbeitet worden, worauf noch eine Schicht Lehm gelegt worden war, die Dachbalken bestanden aus Dattelpalmstämmen. Es gab drei Fenster, die oben an den Räumen angebracht worden waren.
Kaum betrat er den Eingangsbereich seines Hauses, kam ihm seine Tochter entgegen gerannt. Ihre dunkelblauen Augen waren gerötet von Tränen, der sonst so fröhliche Ausdruck in ihrem herzförmigen Gesicht war herunterhängenden Mundwinkeln gewichen. Ihre gebräunte Haut glänzte nass von Tränen. Auch sie trug noch die Haarlocke, die sie nicht vor ihrem zehnten Lebensjahr verlieren würde. Ein Schluchzen verließ ihren Mund, dann warf sie sich in die Arme ihres Vaters.
„Maged hat meinen Ball beschädigt!“, schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in der Schulter des Erwachsenen.
„Beruhige dich, Henutsen. Ich bin sicher, er hat es nicht mit Absicht gemacht.“
Die langen Finger seiner Tochter krallten sich in seine Schulter, zwar nur leicht, dennoch tat es etwas weh. Seufzend setzte er sie wieder ab, ging in die Hocke und schaute in ihre Augen. Ein entschlossener, leicht wütender Glanz war an die Stelle der Trauer getreten, die schmalen Lippen waren fest aufeinander gepresst, was mit ihren Pausbäckchen nicht sehr bedrohlich aussah.
„Er hat es mit Absicht getan!“, widersprach sie wütend, „Er hat ihn direkt in das Feuer geworfen!“
„Dein Bruder kann noch nicht einschätzen, was er tun darf und nicht. Er wird es irgendwann verstehen, aber er ist noch zu jung dazu“, versuchte er die Situation friedlich zu lösen, „Wir werden dir einen neuen Ball kaufen, Henutsen.“
Eingeschnappt rannte sie in die Küche, dicht gefolgt von ihrem seufzenden Vater, der sich genervt an die Nase gefasst hatte.

An der nördlichen Wand waren mehrere Luftlöcher, durch die der Nordwind, der göttliche Atem Atums, eingefangen wurde. In der Ecke, in die sich Henutsen verkrochen hatte, stand ein Mahlstein, auf dem noch Spuren des Mehls zu sehen waren. Daneben waren ein kleiner Ofen, aus dem es nach frischem Brot roch, und eine Feuerstelle, die eingemauert war und zum Grillen und Kochen diente. Über ihnen war kein Dach, nur dünne Leinen, die verhindern sollten, dass Tiere von oben herein konnten. Eine Treppe führte in einen Vorratskeller, in dem sie verderbliche Nahrung aufbewahrten. An einer der Wände waren Tongefäße aufgereiht, in denen Lebensmittel lagen.
Sescheschet kam wieder zurück in die Küche, in ihrer Hand der Laib Brot, den sie gebacken hatte. Ihre schwarzen, leicht mit braun vermischten, Haare gingen ihr in leichten Wellen bis zu ihren Schultern. Mehrere Strähnen waren zu Zöpfen geflochten, verziert mit Perlen. Das Kleid, das sie trug, schmiegte sich an ihre kurvenreiche Figur, sie hatte breite Hüften und lange Beine. Ihr Gewand war lang und faltenlos. Es war so dünn, dass die Körperlinien durchschienen konnten. Mithilfe von zwei Tragebändern über der Schulter wurde es festgehalten. Es begann erst unterhalb ihrer recht kleinen Brüste und reichte bis zu den Knöcheln. Sie trug auch ein usech, ihrer bestand aber aus Perlen.
„Wie ich sehe, bist du zurückgekommen, Bruder“, begrüßte sie ihn lächelnd während sie mit einem Messer das Brot in Scheiben schnitt, „Bringst du gute Neuigkeiten?“
„Ilai verlässt wieder die Stadt.“
Etwas Schalk funkelte in den katzengrünen Augen seiner Frau als er sich eine Scheibe nahm und etwas davon abbiss. Das innere, helle, war weich, die Kruste aber hart. Es war noch warm und duftete herrlich. Scheinbar hatte sie es mit Einkorn gebacken, denn abgesehen von dem brottypischen Geschmack hatte es den Beigeschmack von Nüssen. Ein Krug stand direkt neben ihr auf dem Tisch, nach dem ihr Mann griff und einen kräftigen Schluck trank.
„Das henket schmeckt nach Datteln, Schwester“, merkte er an.
„Es ist auch Dattelsaft in dem Bier, Erjon.“
Maged, sein einjähriger Sohn, kam ebenfalls in die Küche. Seine leicht gebräunte Haut war voller weißem Mehl, was bei einem ungenauen Blick aussah wie ein Muster, eine Zeichnung auf der Haut. Er hatte die gleichen Haare wie seine Mutter, nur waren sie geschnitten wie die seiner Schwester, die ihn mit einem wütenden Blick musterte. In seinen schlammgrünen Augen lag ein Ausdruck von Unschuld, kindlicher Naivität. Jeder seiner Schritte war unbeholfen, vorsichtig. Seine Hand unterbrach nie den Kontakt zu der Wand, die er als Stütze benutzte. Mit großen, runden Augen schaute er seine Mutter an, die ihn vorsichtig auf den Tisch hob.
„Mein Bruder geht heute wieder zum Grab meiner Eltern“, sagte Sescheschet leise.
Sie nahm ein Stück Brot und hielt es ihrem Sohn hin, der daran knabberte und es mit seinem Speichel aufweichte. Sein erster Zahn war fast schon draußen, ansonsten war er aber noch zahnlos. Henutsen ging ebenfalls zu dem Tisch und nahm sich etwas Brot, das Fleisch war noch nicht fertig und würde es auch nicht vor Einbruch des Abends werden. Um diese Zeit würde Erjon schon lange vom Tempel zurück sein.
„Wann ist das Begräbnis des Herrschers?“, fragte Henutsen ihren Vater neugierig.
In seiner Funktion als Sem-Priester, der das Mundöffnungsritual durchführen würde, wusste er als einer der wenigen bereits den Zeitpunkt des Begräbnisses. Das Grab war bereits vorbereitet worden, der Körper ihres ehemaligen Herrschers in Leintüchern eingewickelt. Ka und Ba des Herrschers würden ihn wieder erkennen und zurückkehren können. Zögernd überlegte er, ob er es ihnen sagen sollte, dann entschied er sich aber dafür.
„In fünf Tagen, am Vollmond“, antwortete er seiner Tochter, während er in die Brotscheibe biss und dann Maged wieder auf den Boden absetzte.
Er gab Sescheschet einen Kuss auf die Stirn, dann ging er wieder nach draußen. Seine Sandalen verhinderten nicht, dass heißer Sand zwischen seine Zehen kam. Die Gassen zwischen den Häusern waren schmal, zwei Personen passten kaum nebeneinander. Ein Taschendieb rannte dicht an ihm vorbei, sah jedoch keine Goldbeutel oder sonstige Wertsachen an Erjon und zog an ihm vorbei. Kaum rannte der junge Mann um die Ecke, hörte der Priester den wütenden Aufschrei einer Frau.

Der Tempel der Nephtys ähnelte von außen jedem anderen. Er war prunkvoll, denn viel Geld wurde in ihn investiert. Direkt daneben war eine Art Teich, in dem sich die Priester wuschen. Erjon kniete sich an das Ufer und wusch sich gründlich, dann erst betrat er das Gebäude. Viele Türen führten zu Räumen, in denen Weihrauch und anderes hergestellt wurde. Ganz am Ende des Ganges führte eine Treppe hinauf in das Heiligtum, wo die Statue der Gattin Seths stand. Die Göttin begleitet mit Isis, ihrer Schwester, die Toten in die Unterwelt und trauert um sie.
Auch wenn er die Statue selbst nie gesehen hatte, wusste er, dass es eine Frau mit der Hieroglyphe ihres Namens auf dem Kopf war. Sie musste von unglaublicher Schönheit sein, selbst in der Gestalt einer Statue, die so groß war wie der Unterarm eines ausgewachsenen Mannes. Ihm begegneten viele Jungen und Mädchen, die den Beruf des Priesters erlernten. Sie waren nur morgens hier, im Tempel gab es nicht viel zu tun, und lernten gleichzeitig andere Berufe wie Arzt oder Schreiber.
Die Tür zum Heiligtum wurde geöffnet und Kahled, der oberste Priester, trat heraus. Er hatte gerade Nephtys geweckt, ihre Seele steckte in der Statue, die extra um ihr zu gefallen täglich einparfümiert und eingekleidet wurde. Er war ein älterer Mann mit dunklen, braunen Augen und einem sehr schmächtigen, dennoch vor Autorität strotzenden, Körper. Als er Erjon erblickte, ging er langsam auf ihn zu. Der Sem-Priester senkte den Kopf, zeigte Respekt.
„Em hotep, Erjon“, begrüßte sein Vorgesetzter ihn und neigte kurz den Kopf in einer Art Zunicken.
„Em hotep, Kahled.“
„Die Götter sind heute friedlich, Erjon. Nephtys hat sich in ihrer Statue niedergelassen und wacht über uns.“
Der Blick des Priesters wurde abwesend, so als träumte er sich in die Welt der Götter hinein, nahm schon vor dem Totengericht die Gestalt des Ach-Wesens an. Erjon schwieg und wartete, bis sein Vorgesetzter wieder im Hier und Jetzt angekommen war. Die braunen Augen schienen sich zu klären, der verquerte Blick wurde wieder scharf und ernst. Zwar dauerte es einige Momente, bis er sich räusperte, aber er hatte sich selbst nicht verloren - eine der größten Sorgen, die die hem netscher in diesem Tempel hatten.
„Der Pharao wird in fünf Tagen in die Unterwelt geführt. Ist alles vorbereitet?“
„Natürlich, Kahled. Dem Ritual steht nichts im Wege.“
Das Nicken des obersten Priesters war gleichzeitig auch seine Verabschiedung, dann lief der ältere Mann wieder weiter den Gang entlang. Erjon schaute ihm noch nach bis er um die Ecke gegangen war, dann ging er durch eine Tür und betrat den nächsten Abschnitt des Tempels. Eine Bibliothek, die beinahe größer war als die des örtlichen Schreibers. Hunderte Rollen aus Papyrus, alte Schriften und Dokumente waren ordentlich in Regale gelegt worden, die zuständigen Priester selbst saßen an Tischen und schrieben oder sortierten. Am Ende es Raumes führte eine Treppe auf das Dach des Tempels, direkt in das Observatorium wo andere hem netscher die Unvergänglichen, die Sterne um den Polarstern, die man das ganze Jahr über sehen konnte, beobachteten und auf Botschaften der Götterboten warteten. Der Geruch von Weihrauch und Blumen lag in der Luft, das Zimmer neben ihnen war der Raum, in dem der Weihrauch vorbereitet und zu Parfüm verarbeitet wurde.
Erjon ging wieder zurück und durchquerte einen anderen Gang, bis er zu einer Tür kam, die er öffnete. Auf einer Bank lag das Pantherfell, das er während der Mundöffnungs-Zeremonie trug. Daneben lagen eine Perücke und ein falscher Bart, weitere Utensilien, die er in fünf Tagen benutzen würde. Er würde jetzt in den Totentempel gehen und die Ankleidung des Königs vollziehen, danach musste er die Opferzuweisungen an die Götter und Statuen organisieren.
Als Mut-nefer repräsentierte er Horus, den fürsorgenden Sohn des Osiris. Er war der Sohn, der sich um den um seinen toten Vater kümmerte. Der Sem-Priester konnte den König wiederbeleben, regenerieren und in die Ewigkeit führen. Eine ehrenvolle Aufgabe, die nur wenigen zuteil kam. Sescheschet stand stolz hinter ihm, ihre Hände lagen auf seinen Schultern, auch wenn sie zu Hause war und er hier. Ihr Geist wachte über ihn, so wie seine Eltern, die zu Ach-Wesen geworden waren. Er würde ihnen bald wieder Opfergaben bringen.

Seine Erzeuger mochten vielleicht nicht reich gewesen sein, aber trotzdem hatte er ihnen einen Grabraum einrichten lassen. Er lag etwas unterhalb der Erde, der Ort war nur ihm und seiner Frau bekannt da man ihn nur durch eine gut versteckte Treppe betreten konnte. Eine angenehme Kälte strömte ihm entgegen, die Strahlen der Sonnenbarke kamen nicht hier herunter. An der Wand gegenüber von dem Eingang standen zwei kastenförmige Sarkophage, die seiner Mutter und seinem Vater als Wohnung und Schutz dienten.
In einigen Kanopen, gefertigt aus Alabaster, waren die Eingeweide eingelagert. Der Sarkophag selbst war verziert mit Hieroglyphen, Zaubersprüchen und Symbolen, die vor dem Bösen schützen sollten. Erjon legte die mitgebrachten Gaben vor eine Statue, dann ging er zu der linken Seite eines Sarkophages und kniete sich vor ein aufgezeichnetes Auge hin. Das Fenster in die Welt der Lebenden aus der Unterwelt.
„Maged entwickelt sich prächtig. Noch ist er sehr schüchtern, aber Isis weiß, dass er eines Tages in unsere Fußstapfen treten wird, Vater. Er wird ein guter Mut-nefer werden, das weiß ich schon jetzt ganz sicher.“
Er stand auf und ging du dem Auge des anderen Sarkophages, wo er sich ebenfalls hinkniete. Die Sprüche auf dem Behältnis waren nicht anders wie die auf dem seines Vaters, außerdem war neben dem Udjat-Auge, dem Horusauge, eine Karte der Unterwelt eingezeichnet, als Hilfe wenn sie die Prüfungen und Aufgaben bestehen mussten.
„Henutsen ist ganz wie du, Mutter, voller Selbstbewusstsein und dem Wissen, wie man jemanden auf seine Seite ziehen kann. Wenn sie sich nur mit Maged verstehen würde...“, seufzte der zweifache Vater bevor er sich wieder erhob und zwei Amulette nahm.
Der Skarabäus-Anhänger stand für die Auferstehung der Toten, außerdem war er ein guter Einfluss an der Waage der Maat bei dem Totengericht des Osiris. Auf jeden Käfer gab er einen Kuss, dann legte er die Amulette auf die Stelle, wo der Kopf der Person war. Noch einmal überzeugte er sich von den Zuständen der Opfergaben, dann ging er wieder hinauf in die pralle Sonne.

Der Dienst im Tempel hatte ihn nur wenige Stunden gekostet, die Vorbereitungen waren getroffen worden, dem Begräbnis stand nichts im Wege. Die Sonne stand am obersten Punkt am Himmel, der Mittag hatte begonnen und für ihn war es Zeit wieder nach Hause zu gehen. Vielleicht könnte er Sescheschet dazu überreden, mit ihm Senet zu spielen? Ein Lächeln zauberte sich auf seine Miene während er durch die engen Gassen der Stadt ging. Überall waren Menschen, kein Ort an dem man alleine sein würde. Händler, Diebe, Halunken und Schreiber, Priester, Fischer. Die Schichten waren beinahe alle vertreten, einige der oberen Klasse kamen hierher um billig, aber gut einzukaufen.
Der Geruch von Parfüm, vermixt mit Blumen und wohlriechenden Salben, stieg ihm in die Nase, betörte seine Sinne. Neugierig näherte sich der glatzköpfige Mann dem Stand einer Frau, die ihn sofort lächelnd als potenziellen Kunden erkannt hatte. In kurzen Abständen hielt sie Erjon Fläschchen entgegen, Statuen die in Parfüm getaucht worden waren. Er hatte kaum Zeit die Gerüche einzuatmen, hatte er den ersten Geruch wahrgenommen, hielt sie ihm den nächsten entgegen. Letztlich entschied er sich für eines, das nach Blumen roch, dabei aber nicht zu aufdringlich war. Sescheschet würde sich freuen.
Als er den Vorhof seines Hauses betrat, rannte Henutsen lachend an ihm vorbei, dicht gefolgt von einem anderen Mädchen, deren Eltern gut mit ihm und seiner Frau befreundet waren. Das Mädchen, wenn er sich richtig erinnerte, war ihr Name Neriman, hatte einen Ball in der Hand, der dem seiner Tochter in Größe und Form glich, aber aus weniger hochwertigen Stoffen hergestellt worden war. Mit einem gezielten Wurf schleuderte sie ihn Henutsen entgegen, die ihn geschickt fing und im Laufen wieder zurück warf. Die Faszination an solchen Spielen konnte er noch nie verstehen.
Sescheschet stand draußen vor den Kräutern und schaute hinauf in den Himmel, die Arme vor der Brust verschränkt, die Miene nachdenklich. Kaum näherte sich Erjon, drehte sie sich um und lächelte ihn an. Ihre Augen funkelten nicht, sie wirkte aus irgendeinem Grund traurig, beinahe niedergeschlagen. Vorsichtig legte ihr Mann den Arm um sie und zog sie etwas zu sich. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und seufzte laut auf.
„Bedrückt dich etwas?“
„Ich habe nur festgestellt, wie schnell die Zeit vorbeigeht. Es kommt mir so vor, als hätte ich Henutsen erst auf die Welt gebracht, ganz zu schweigen von Maged.“
„Fühlst du dich alt, Schwester?“, neckte er sie und lächelte, als sie leise kicherte, was in seinen Ohren göttergleich klang.
„Was sollst du dann erst sagen, Bruder?“, konterte Sescheschet.
Er hatte die ganze Zeit über eine Hand hinter dem Rücken versteckt gehabt, die er jetzt ihr offenbarte. Das Behältnis, in dem das Parfüm war. Sie schaute es einige Momente an, dann sah sie auf und blickte ihrem Mann in die Augen, ein Funkeln lag in ihren Seelenspiegeln, jungendlich und voller Lebensfreude. Dankbar umarmte sie ihn, dann öffnete sie das Fläschchen und roch daran.
„Du hast wirklich Geschmack, Bruder. Womit habe ich das verdient?“
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und legte seinen anderen Arm ebenfalls um ihre Hüfte. Sie kannte die Antwort bereits, die Frage war das Ritual, das sie durchführten sobald sie sich gegenseitig beschenkten. Es hatte bei der Trauung begonnen und würde erst am Tage ihres Todes enden. Scheidung? Dafür gab es keinen Grund und würde es nie geben. Sie liebten sich, die Götter hatten sie mit zwei Kindern gesegnet. Ihnen ging es gut. Sehr gut.
„Was willst du dafür?“, fragte sie ihn ohne den Blick von dem Parfüm abzuwenden.
„Eine Runde Senet?“
Im Gegensatz zu den Ärmeren hatten sie ein richtiges Spielbrett, nicht nur ein eingeritztes im Sand oder Felsen. Es gab 30 Spielfelder, die quadratisch nebeneinander angeordnet waren. Jeder hatte sieben Spielfiguren, sieben spulenförmige und sieben kegelförmige. Dazu gab es vier Wurfstäbchen, die aus einer gewölbten, mit Einkerbungen verzierten, und einer flachen Seite, wobei nur die unmarkierte beim Würfeln zählte. Man konnte es zwar auch alleine spielen, zu zweit machte es Erjon aber mehr Spaß.
Senet bedeutet vorbeigehen, passieren. Es war das Spiel um Tod, Wiedergeburt und Leben. Das Feld war die Unterwelt, das Ziel die Spielfigur aus dieser zu befreien und sie in die Iaru-Gefilde zu führen. Dort wartete der Frieden und, zumindest bei dem Spiel, der Sieg. Sescheschet würfelte zuerst. Zwei flache Seiten zeigten nach oben, sie durfte zwei Felder vorrücken von oben links nach rechts. Bei Erjon zeigten alle vier Seiten nach oben, er durfte fünf Felder vorrücken.
Bei seinem nächsten Wurf kam er auf das Feld sechzehn, das ‚Haus des Netzes’, weswegen er aussetzen musste. Sie zog an ihm vorbei und versuchte auf Feld sechsundzwanzig zu kommen, ‚Das schöne Haus’. Man musste auf dieses Feld kommen um weiterzuspielen, es symbolisierte die Wiedergeburt und das ewige Leben. Sie blieb ein Feld davor stehen und versuchte die Wurfstäbchen so zu platzieren, dass nur eine flache Seite nach oben zeigte. Alle vier zeigten nach oben, der Zug hatte ihr nichts gebracht.
„Der Sohn von Atem ist sieben Jahre alt geworden“, begann Sescheschet ein Gespräch während ihr Gatte würfelte, „Atem hat reges Interesse an Henutsen gezeigt.“
„Er möchte sie also seinem Sohn versprechen?“
Sie warf die Stäbchen vor sich und zog auf Feld sechsundzwanzig, ihre Hand ruhte nachdenklich an ihrem Kinn, die Augen waren auf das Feld fixiert.
„Ich glaube es zumindest. Ich bin mir sicher, Ouassim wäre ein guter Mann für unsere Tochter. Schon jetzt zeigt er die Qualitäten eines guten Schreibers. Er wird sie gut versorgen können.“
„Eine Mitgift für Henutsen haben wir bereits zurückgelegt“, sagte Erjon im gleichen Moment als seine Spielfigur auf das Feld achtundzwanzig kam.
Nur noch eine drei und die Figur wäre vom Spielbrett. Sescheschet lehnte sich etwas zurück und überblickte die Situation, dann würfelte sie selbst und zog mit der Figur eine Spalte weiter nach unten. Alle Spielfiguren standen bereits auf dem Spielbrett, er hatte fast eine draußen und sie holte erstaunlich schnell auf. Das Strategiespiel war auch gleichzeitig ein Glücksspiel, so wie das Leben nach dem Tode war.

Erjon hatte gewonnen, aber nur knapp, wie immer. Sescheschet war zu dem Grab ihrer Eltern gegangen, die Kinder spielten draußen. Er war alleine im Raum in dem sie sich wuschen und schminkten. In einer Schale, aufgefüllt mit Wasser und vermischt mit Dufttinkturen, sah er sich selbst, direkt in seine eigenen Augen. Daneben lag ein kleines Messer, nach dem er griff und es seitlich an seiner Wange ansetzte.
Langsam zog er es herunter, seine Konzentration galt dem Versuch sich nicht zu schneiden. An seiner rechten Wange war noch immer die Narbe, die er sich wenige Tage zuvor zugezogen hatte. Ein dünner, lang gezogener Strich, der etwas heller war als seine gebräunte Haut. Es war nicht das einzige, was sein Gesicht verunstaltete, es war übersäht mit Strichen und Wunden, die sich langsam auf natürlichem Wege schlossen. Der Schrei seiner Tochter ließ ihn zusammenzucken, ein brennender Schmerz strömte durch ihn, einige Tropfen Blut fielen in die Schale, vermischten sich mit dem Wasser.
Genervt biss er die Zähne zusammen und griff nach einem Leinentuch, das er sich sofort auf die Wunde presste. Es färbte sich in kürzester Zeit rot, sodass er die einzelnen Fasern deutlich sehen konnte. Immer wieder fielen Tropfen herab in das vorher klar gewesene Wasser, das nach und nach die Farbe seines Lebenssaftes annahm. Ein Bluttropfen fiel auf seine Haut, hinterließ beim Herabfließen eine rote Spur. Ein Seufzen entwich ihm bevor er das Tuch wechselte und geduldig wartete bis die Blutung stoppte. Als er das Tuch wegnahm, sah er den Schnitt, der zwar nicht tief, aber schmerzhaft war.
Eine weitere Narbe, die ihn zeichnen würde. Die eine eigene Geschichte erzählen würde, keine spannende oder abenteuerliche, sondern die eines Feiglings, der sich beim Freudenschrei seiner Tochter mit einem Messer schnitt. Die Mutigen wurden Fischer, Jäger oder Krieger, die Feiglinge Schreiber oder Priester. Erjon hob seine Arme und wusch die Blutspur von ihnen ab, dann goss er das Wasser aus, das durch ein Loch in den Keller floss, wo sie es auffingen und für die Bewässerung der Pflanzen im Garten benutzten. Wasser war selbst für sie, die direkt am Nil wohnten, ein kostbares Gut.
Von dem kleinen Fenster aus konnte er hinaus in den Hof sehen, wo noch immer Henutsen und Neriman miteinander spielten. Maged rannte hinter ihnen her, versuchte mitzuhalten. Henutsen lachte und rannte schneller, ließ ihn weit hinter sich. Ein Schmunzeln tauchte auf seinem Gesicht auf. Gedanklich fragte er sich selbst, wie man einen kleinen Jungen so sehr hassen konnte, nur weil er der Kleinere war, der Neue. Die Option, dass sie eifersüchtig sein könnte, erschien ihm falsch, wie konnte man eifersüchtig auf einen niedlichen Jungen sein wie Maged es war?
Zwei zierliche Arme legten sich um seine Hüfte, der Körper einer Frau schmiegte sich von hinten an ihn. Sie streckte sich um ihm über die Schulter sehen zu können, dann hörte er ein Seufzen neben seinem Ohr und ein Kichern. Aus dem Augenwinkel erkannte er Sescheschet, die scheinbar zurückgekehrt war. Ein Schmutzfleck verunreinigte ihr Gesicht, in das ihre Haare strähnig hingen. Sie wirkte außer Atem, aufgeregt, nervös. Erjon konnte beinahe ihren Herzschlag hören, das Zentrum ihres Denkens und Seins wie es gegen ihre Brust hämmerte.
„Ich fürchte, etwas geht am Hafen vor, mein Bruder.“
„Wie meinst du das?“
„Eine Barke hat angelegt und ein Mann hat begonnen dem Volk etwas zuzurufen. Der ganze Markt ist voller Menschen!“

„Wir wurden von den Göttern geschaffen, meine Brüdern und Schwestern, aber voller Fehler! Wie sollen wir bei der heiligen Wage der Maat erfolgreich sein, wenn unser Körper selbst eine einzige Sünde ist? Sagt mir, meine Brüder und Schwestern, wie sollen wir mit diesen gebrechlichen Körpern die Aufgaben der Unterwelt bestehen?“
Obwohl der Sprecher meterweit von ihnen entfernt stand, konnten sie jedes Wort so deutlich hören, als wären sie direkt neben ihm. Sie konnten ihn durch die dichte Schar nicht sehen, man fand keinen Moment in dem man nicht angestoßen wurde. Körper waren eng gepresst an andere, sie reckten ihre Hälse und versuchten einen Blick auf den Mann zu erhaschen, der seiner kräftigen Stimme nach selbst einen muskulösen oder zumindest breiteren Körperbau haben musste.
Sescheschet griff nach Erjons Hand und schaute mit ehrfürchtigem Blick zu ihm. Ein Mann neben den beiden hob seinen Sohn hoch, damit zumindest dieser sehen konnte, wer da sprach. Der Priester drehte leicht den Kopf und blickte hinter sich. Als sie gekommen waren, waren sie die letzten in der Masse gewesen, jetzt waren sie mitten darin. So viele waren nachgekommen, es war, als würde die ganze Stadt anwesend sein. Bauern, Schreiber, obere Beamte, Händler, Priester. Kinder und Erwachsene, sie alle waren hier versammelt und lauschten der Ansprache des Mannes.
„Aber ich habe die Wahrheit gesehen, ich habe gesehen, was wir tun können, um der Perfektion näher zu kommen!“, ertönte wieder die laute Stimme, „Ich habe es selbst erleben dürfen, die Änderung und weiß nun, was wir tun müssen, um mit einer Gewissheit in die besseren Gefilde zu kommen! Meine Brüder und Schwestern, seht her!“
Ein Raunen ging durch die Menge, die, die ihn sehen konnten, wirkten wie erstarrt, erstaunt. Ohne sie zu fragen hob er Sescheschet hoch und beobachtete ihre Reaktion. Nach einigen Sekunden, in denen sie nach dem Sprecher Ausschau gehalten hatte, weiteten sich ihre Augen in Unglauben, Unwissenheit. Sie murmelte einen Gebetsspruch, einen Hilferuf an die Götter, und bedeutete ihm sie wieder runter zu lassen.
„Sein Arm... bei Isis... was ist mit seinem Arm?“, fragte sie zitternd.
„Lasst die nach vorne, die es nicht sehen und hört auf meine Worte! Das ist die Sicherheit des Bestehens, meine Brüder und Schwestern, dies ist das Geschenk der Götter!“
Für gewöhnlich würde niemand weichen, doch die Menge teilte sich, eine Art Schlange wurde gebildet, in die sich alle einreihten. Das Gedränge war so stark, dass Erjon seine Frau aus den Augen verlor. Vor ihm wurde immer wieder gebetet, Unglauben und Verwirrung lag in der Luft wie der Geruch von schwitzenden Leibern, eng aufeinander gepresst in der prallen Hitze, die niemand mehr zu beachten schien. Die, die vorne gewesen waren, gingen sofort zur Seite. Mit etwas Abstand bildete sich die Masse erneut, nur dass sie in der Mitte in zwei Hälften geteilt worden war, die links und rechts von der Reihe waren.
Unsicher, was er zu erwarten hatte, tat Erjon einen Schritt nach dem anderen. Seine Hände zitterten, er schwitzte mehr als sonst. Eine Angst war in ihm aufgekommen, eine Art Vorwissen. Ein Teil von ihm wollte sich umdrehen, wollte wegrennen, der andere sah keinen Grund dazu. Ein Mann, vielleicht ein Spinner oder Verrückter, der ihnen etwas von Vollkommenheit erzählte. Eine Bedrohung sicherlich nicht, zu viele Menschen würden es sehen und dagegen vorgehen. Es könnte nichts passieren, dennoch war die Angst in ihm beinahe greifbar, spürbar.
Die Frau vor ihm trat zur Seite, sodass er den Mann sehen konnte. Der Körperbau des Mannes glich dem seinen, er war schmächtig und hager gebaut. Das Lächeln in seinem länglichen Gesicht wirkte auf ihn, als würde er versuchen ein Kind zu beruhigen. Er trug einen usech und einen Schurz, der ihm bis zum Knie reichte und verziert war mit Mustern, die Erjon noch nie gesehen hatte. Der Mann hatte keine Haare am Leib, keine Augenbrauen oder Wimpern. Ein ehemaliger Priester?
„Die Götter gaben mir das Geschenk, Mut-nefer. Bei Isis, der Schlüssel liegt direkt vor dir“, flüsterte der andere mit leiser, geheimnisvoller Stimme, „Ich bin Aziz, ein Bote der Götter.“
Aziz hob seinen Arm in das Sichtfeld des Sem-Priesters. Erjons Augen weiteten sich in Schreck, er wollte zurückweichen doch die Menschen hinter ihm machten das unmöglich. In einer hektischen Reaktion umfasste er das Amulett, das er als ein Band um das Handgelenk trug. Das Lächeln Aziz’ wurde breiter, erinnerte ihn immer mehr an den Ausdruck eines Vaters der seinem Kind die Angst nehmen wollte.
Der linke Arm des Mannes wirkte nicht menschlich. Er war grau und schwarz, an der Handinnenseite aber teilweise rot. Von der Schulter aus begann er und hatte die normale Länge eines Armes, doch es wirkte so, als fehlte die Haut. Die einzelnen Teile wirkten auf ihn wie Knochen, Abschnitte die Hand und Arm verbanden wie Sehnen oder Muskeln. Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig, streckte der Priester die Finger danach aus und berührte das Graue nur mit den Fingerspitzen. Es war eiskalt, wie tot, und dennoch bewegten sich die Finger, die Hand drehte sich einmal im Kreis und blieb wieder auf normaler Position stehen.
„Bei Isis...“, stieß er aus und zog die Hand zurück, „Wie ist das...“
Das rote an dem Arm schien, soweit Erjon das einschätzen konnte, aus tjehenet zu bestehen. Für gewöhnlich war dieses zwar blau oder grün, aber der Arm selbst wirkte nicht wie etwas Irdisches. Aziz hob seinen Arm senkrecht gen Himmel und ballte die Hand kurz zu einer Faust. Ein seltsames Rädchen, das aus Ecken bestand und in ein weiteres griff, das wiederum, so erschien es zumindest, die seltsamen Sehnen zur Bewegung brachten. Die Angst wich einer Art Neugierde, die er noch nie zuvor verspürt hatte. Die Menschen hinter ihm wurden ungeduldig und drängten ihn beiseite.

An einer Hauswand fand er Sescheschet wieder. Sie wirkte aufgebracht, nachdenklich. Vorsichtig legte er ihr einen Arm um die Schulter und ging mit ihr in die Richtung ihres Hauses. Die Straßen waren wie leergefegt. Ihnen kamen mehrere Bekannte entgegen, die in die Richtung des Marktplatzes rannten. Kinder und Erwachsene, die Neuigkeit hatte sich rasant verbreitet. Sescheschet umklammerte seinen Arm etwas und schaute ihn aus dem Augenwinkel an.
Schweigend liefen sie nebeneinander her, jeder hing seinen Gedanken nach. Maged und Henutsen erwarteten sie bereits an dem Eingangstor. Der Junge hatte sich an seine Schwester geklammert, die ängstlich genug war es entweder nicht zu bemerken oder es zu erlauben. Ihre Mimik glich der ihrer Mutter, ängstlich und aufgeregt. Sie rannten auf ihre Erzeuger zu und hielten sich an deren Beinen fest. Henutsen an Sescheschets, Maged an seinen. Sein Sohn zitterte, obwohl er wahrscheinlich nicht einmal verstand, was hier vor sich ging.
„Ist es wahr?“, fragte Henutsen mit einem nervösen Unterton, „Ist der Mann... wirklich ein Bote der Götter?“
„Wir wissen es nicht, meine Kleine, wir wissen es nicht“, antwortete Erjons Gattin während sie in die Hocke ging und eine Hand auf den Kopf ihres Fleisch und Blutes legte, „Aber es muss etwas überirdisches sein, ob von den Göttern oder Dämonen wird sich noch zeigen.“
„Dürfen wir ihn sehen?“
Der plötzliche Wechsel von Angst zu Neugierde überraschte den zweifachen Vater beinahe mehr als der Anblick des Armes selbst. Henutsen schaute zu ihren Eltern auf und schob die Unterlippe vor. Ein Trick, von dem sie wusste, dass es zumindest ihre Mutter immer wieder dazu bringen könnte, das zu tun was Henutsen wollte. Erjon warf ihr einen Seitenblick zu, in dem eine Verneinung lag, doch die schwarzhaarige Frau hatte bereits genickt. Als sie losrannten, wirbelte Staub hinter ihnen auf.
„Musst du ihr immer nachgeben?“, fragte er ohne sie anzuschauen, „Hast du darüber nachgedacht was ist, wenn das wirklich das Werk von Dämonen ist?“
„Bes wird uns schützen“, antwortete sie leise, ein Funkeln lag in ihren Augen, „Hast du darüber nachgedacht, mein Bruder, was ist, wenn es wirklich ein Geschenk der Götter ist? Wenn das wirklich der Schlüssel zu den Gefilden ist? Würdest du es uns und den anderen verweigern?“
„Bes kann uns nur zu Hause schützen, Schwester! Wir wissen nicht, was es ist oder woher es kommt! Dieser Mann, Aziz, könnte unseren Kindern etwas antun und du schickst sie zu ihm?“
Sie drehte sich zu ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Mund öffnete sich um etwas zu sagen, ihn anzuschreien oder einfach etwas zu erwidern, doch sie schloss ihn stumm wieder und funkelte ihn wütend an. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie sich die Strähnen aus dem Gesicht und zögerte. Kopfschüttelnd drehte sie sich um und ging in das Haus, ließ ihn alleine im Hof stehen.

Um den Teich des Tempels herum knieten viele Priester, die sich eilig wuschen und reinigten. Erjon kniete sich neben einen der jüngeren Lehrlinge und begann sich Wasser in das Gesicht zu spritzen. Alle tuschelten miteinander, immer wieder hörte er Gebete oder den Namen Aziz. Sie waren hier, um Segen zu erhalten, zu beten oder die Götter anzurufen. Wie in Zeitlupe erhob sich der Mut-nefer, nur kurz nach dem Lehrling neben ihm, dann folgte er einer kleinen Gruppe in den Tempel.
„Du hast es auch gesehen, oder Erjon?“, fragte Doga, eine hemet netscher, ihn flüsternd, „Sollten wirklich die Götter ihn geschickt haben...?“
„Verschone mich mit diesem Thema, das hat schon eine andere Frau vertrieben“, brummte er unfreundlich und schaute wieder nach vorne, wo sich die Priester unter der Treppe zum Heiligtum sammelten. Ganz oben konnte er Kahled sehen, wie er das Allerheiligste betrat, in seiner Hand Opfergaben. Zu ihm und Doga gesellten sich zwei weitere Priester, Ayman und Selin, die beide schon mehrmals bei ihm zu Hause zu Besuch gewesen waren. Die beiden wurden am gleichen Tag, beinahe zur selben Stunde geboren, und glichen sich mehr als gewöhnliche Geschwister. Aymans Augen waren heller als die seiner Schwester, sie war schlank während er etwas rundlich war.
„Sescheschet und du habt euch also wieder zerstritten?“, stichelte Selin grinsend, „Wir sollten Henutsen wieder entführen und sie im Glauben lassen, ihr wäre etwas passiert. Wenn ich mich an das Ergebnis vom letzten Mal erinnere...“
Doga kicherte ebenfalls. Erjon murmelte etwas, was zu unverständlich war um von den anderen Gottesdienern verstanden zu werden. Das Flüstern der Priester um sie herum wurde mit jedem verstrichenen Moment, in dem Kahled nicht wieder herauskam, lauter. Die Ungeduld schlug auch auf ihn über, nervös trommelte er auf seinem Handgelenk herum und seufzte auf. Ayman verlagerte sein Gewicht auf seine rechte Seite und tauschte vielsagende Blicke mit seiner Schwester aus.
„Vielleicht haben sie ihn zu sich geholt?“, kicherte Selin leise, „Verloren hat er sich ja oft genug in letzter Zeit...“
„Wie konntest du nur mit so wenig Respekt hemet netscher werden?“, fragte Doga sie zischend, „Er ist der oberste Priester, vergiss das nicht!“
„Er ist ein alter Mann, der bald dem Osiris gegenüber treten wird“, antwortete Ayman anstatt seiner Schwester und wandte seinen Blick von der dunkeläugigen Priesterin ab, „Er ist herausgetreten.“
Kahled schloss die Tür hinter sich und trat soweit vor, dass er vor dem Geländer der Steintreppe stand. Kurz ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen, blickte ab und zu mit geneigtem Kopf in das Gesicht eines zweiten Propheten oder eines anderen, sehr angesehenen oder hochgestellten, Priesters. Die knochige Hand legte sich auf das Geländer, worauf er sich abstützte, um nicht all zu krank auszusehen.
„Wir stehen vor einer großen Prüfung und Chance, meine Brüder und Schwestern. Wir müssen uns schon zu Lebzeiten beweißen, unseren Glauben den Boten präsentieren. Ich sehe Angst und Unglauben in einigen Gesichtern und ich verstehe es. Wer sagt, dass dieser Mann nicht von Dämonen besessen ist oder gar selbst einer ist? Wir müssen glauben und beten, den Göttern dienen und geduldig sein. Habt Geduld und Glauben, meine Freunde, habt Zuversicht und Vertrauen in das Schicksal. Die Göttin Nephtys steht über uns mit schützendem Willen!“
Er nickte einem der Priester, die für gewöhnlich die Unvergänglichen beobachteten, zu, der die Treppe nach oben ging und sich neben den obersten Priester stellte. Für Erjon war er ein Fremder. Die meisten blieben unter sich, die Propheten teilten sich einen Abschnitt des Tempels, so wie die Priester in der Bibliothek oder die aus dem Observatorium. Man sah sich zwar, aber man sprach nie oder selten miteinander. Für gewöhnlich gab es dazu auch nie einen Grund. Ein Sem-Priester sprach nicht über die Zeremonie mit einem anderen Gottesdiener, der mit ihm über die Weihrauchherstellung reden könnte.
„Die Unvergänglichen haben uns eine Änderung angezeigt, aber etwas Gutes wird durch diese Änderung geschehen. Ich denke, Aziz war damit gemeint“, informierte er die anderen, seine Stimme kaum ein heiseres Flüstern.
Nach und nach verließen die Priester wieder den Tempel oder kehrten an ihren Arbeitsplatz zurück. Unentschlossen blieb Erjon vor dem Gebäude stehen und hob den Kopf gen Himmel. Die Sonne hatte sich wieder gesenkt, die Barke des Re kam der Unterwelt immer näher. Dort würden die Götter, die mitreisten, gegen den Tod kämpfen und bestehen. Dann erst würden sie den nächsten Tag beginnen und ihre Reise erneut antreten. Gerade als er sich auf den Heimweg machen wollte, legte sich eine Hand auf seine knochige Schulter. Ayman, Doga und Selin standen hinter ihm und lächelten.
„Wie wäre es mit einem henket und Honig, mein Freund?“, fragte ihn Ayman und grinste, „Das Bier wird dich deinen Streit mit Sescheschet vergessen lassen.“
„Es war kein Streit... mehr eine Meinungsverschiedenheit.“
Doga lachte und boxte ihm leicht gegen die Schulter während die anderen beiden seine Arme mit ihren umklammerten. Seine lauten Proteste gingen in dem Lachen und Kichern der beiden Frauen und des Mannes unter. Einige Menschen, die in tiefen Diskussionen versunken waren, drehten sich zu ihnen um, doch hier war man das beinahe wöchentliche Ritual bereits gewöhnt. Die beiden Zwillinge zogen Erjon mit sich, Doga schob von hinten nach. Egal wie sehr er sich wehrte, er kam aufgrund des Kraftmangels nicht frei.

Sie gingen zu Selins Haus, da ihr Ehemann in seiner Arbeit als Fernhändler gerade in einer anderen Stadt war und sie nicht stören würde. Das Haus war etwas kleiner als seines, der Garten aber war größer. Er lag an einer windstillen Stelle unter mehreren Palmen, die viel Schatten spendeten. Ein Tisch stand da, vier Stühle darum aufgestellt. Erjon ließ sich in seinem nieder und verschränkte die Finger in seinem Schoß miteinander. Selin verschwand in der Küche, Doga und Ayman setzten sich ebenfalls auf die Stühle und grinsten ihn an.
„Ich werde mich nicht wieder betrinken, das könnt ihr vergessen“, sagte Erjon und hob gestikulierend den Zeigefinger.
„Das hast du auch die letzten Male gesagt und wir mussten dich immer zu Sescheschet in euer Ehebett tragen weil du nicht mehr laufen konntest.“
„Er verträgt einfach keinen Alkohol“, spottete Selin als sie mit vier Krügen Bier zurückkam.
Ihre Tochter trug eine Art Fass, in dem der Rest war, und ihr Sohn einen Kuchen, den sie scheinbar erst heute gebacken hatte. Er sah fettig aus und roch nach Datteln und Zucker. Die Kinder verschwanden wieder artig in dem Haus, die vier waren wieder alleine. Wenig elegant stellte sie die Krüge ab, etwas Bier schwappte über und ließ den Tisch feucht werden. Ayman hob den Krug und grinste Erjon mit einem wissenden Blick an. Sie alle kannten sein Trinkverhalten und wussten, dass er nicht viel vertrug.
„Auf die Götter, Weib, Bier und Friede!“, rief er aus und hielt seinen Krug in die Mitte zwischen sich und die anderen drei Priester, „Und auf Erjon, der mit seiner Bierunverträglichkeit immer wieder dafür sorgt, dass wir unsere Sportlichkeit nicht vergessen! Wie sonst könnten wir ihn den ganzen Weg von hier bis zu seinem Haus tragen?“
Sie ließen die Gefäße gegeneinander knallen, wieder schwappte die Flüssigkeit über, doch es schien niemanden zu interessieren. Erjon schaute zu Ayman und zog eine Augenbraue hoch. Sein, man könnte sagen bester, Freund zuckte mit den Schultern und trank beinahe alles in einem Zug leer. Zuerst zögerte er, es Ayman gleich zu tun, doch dann trank er das Bier in einem Schluck leer. Keuchend schnappte er nach Luft und stellte den Krug wieder auf dem Tisch ab. Mit seinem Handrücken wischte er sich über den Mund und lehnte sich etwas zurück. Selin schenkte ihm sofort nach, ihren eigenen hatte sie noch nicht angerührt.
„Ich erinnere mich noch“, fing Ayman leicht angeheitert nach fünf Krügen an zu erzählen, „Wie ich Erjon kennen gelernt habe! Bei Isis, diesen Anblick werde ich nie vergessen können!“
Am Ende seines Satzes brach er in schallendes Gelächter aus. Jedes Mal erzählte er die Geschichte, schien es jedoch am nächsten Tag bereits vergessen zu haben. Selin hielt sich die Hand vor den Mund um das Bier nicht auszuspucken. Erjon selbst musste auch grinsen. Nach drei Krügen war die Anspannung von ihm gewichen, er war locker und, was eine Seltenheit bei ihm war, gut gelaunt.
„Ich bin in die Schänke von Zehra... ach Zehra, dieses Bild von einer Frau...“, Ayman grinste pervers und erntete einen leichten Schlag von seiner Schwester am Arm, „Diese Brüste... ich schweife ab. Ich gehe also in die Schänke und wer liegt da auf einem der Tische und schnarcht vor sich her? Erjon, der Hund. Bei Isis, er musste mindestens zwanzig Krüge geleert haben, so betrunken sah er aus! Natürlich bin ich zu ihm, ich hatte ihn immerhin schon ein paar Mal im Tempel bei der Ausbildung gesehen, und habe ihn wach geschüttelt. Keinen klaren Satz hat er noch sagen können, das sage ich euch!“
Erjon boxte ihm in die Seite, was bei der üppigen Figur seines Freundes nicht wirklich etwas anrichtete. Ayman legte ihm lachend einen Arm um die Schulter und hob seinen Krug an um anzustoßen. Er dachte nicht wirklich nach, sein Verstand war von dem Alkohol mehr als eingenommen, und ließ seinen Krug gegen Aymans knallen. Gleichzeitig tranken sie leer und stellen es ab.
„Ich nehme ihn über die Schulter und trage ihn zu seinem Haus, da war Henutsen noch nicht mal auf der Welt, so lange ist das her! Mitten auf dem Weg läuft mir plötzlich irgendeine Flüssigkeit über den Rücken und so wie es roch, wollte ich lieber nicht nachsehen.“
„Eine Blutsbrüderschaft mit einer anderen Flüssigkeit!“, lallte Erjon und erinnerte sich lachend an den Moment zurück.
„Am nächsten Tag kann er mich nicht ansehen ohne rot zu werden, da tat er mir leid und da habe ich ihn eingeladen. Wieder in Zehras Schenke!“
Die beiden Männer fingen an zu lachen und weinten Tränen, was die Farben um ihre Augen verwischen ließ. Doga stimmte zuerst ein in das Grölen der Männer, etwas später folgte Selin, die gleichzeitig wieder einschenkte und dabei mehr vergoss als einzufüllen. Im Lachen stießen sie an und tranken weiter. Das meiste fand nie den Weg herunter in die Mägen der Erwachsenen, es floss von ihrem Mund über die Körper, landete auf dem Boden wo sich eine riesige Pfütze gebildet hatte. Vor Erjons Augen drehte sich alles, die Bewegungen der anderen waren verzerrt. Bevor er selbst es merkte, lag er auf dem Rücken im Sand und schlief ein.
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Ta Meri - Geliebtes Land
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